Der Hauptmann von Köpenick
(2012)
Carl Zuckmayer
Die kleine Bühne ganz groß
Nach einem Jahr harter Arbeit, ob vor oder hinter der Bühne, hat Rudi Reimitz (Regie) mit Martina Drefs (Assistenz, Fanny, Mutter für alle) und allen Schauspielern ein Meisterwerk auf die Bretter der kleinen Bühne gezaubert.
In „Der Hauptmann von Köpenick“ von Carl Zuckmayer wird die bürokratische und militärische Zeit wunderbar auf den Arm genommen. Verkörpert wird dies durch den arbeitslosen und vorbestraften Schuster Wilhelm Voigt (Jürgen Hornung – es ist ein Genuss diesem Mann beim Spielen zu beobachten, seine Wandlung von Wilhelm Voigt zum Hauptmann ist mehr als nur gelungen). Dieser braucht einen Pass um an Arbeit zu gelangen, jedoch auch Arbeit, um einen Pass zu erhalten – er steckt also in einem bürokratischen Karussell fest und fängt an sich zu wehren. Mit seinem Freund Kalle (Felix Hörr-Pietzonna – ob als Kalle oder Inspektor, mit seiner dominanten Stimme zeigt er Präsenz auf der Bühne) versucht er, in das Passamt einzubrechen, sie werden jedoch geschnappt und sitzen 10 Jahre in Haft. Dort werden ihnen vom Gefängnisdirektor (Hansjörg Kopp - endlich wieder auf der Bühne nach 10 Jahren Pause, das Warten hat sich definitiv gelohnt) militärische Ordnungen und Disziplinen beigebracht.
Nach dem Absitzen der Strafe hat er jedoch dieselben Probleme wie zuvor – er bekommt weder Pass noch Arbeit. Verzweifelt kommt er schließlich bei seiner Schwester (Daniela Erb-Zach – sehr bedacht und mit einem schönen berliner Akzent) und deren Mann (Dieter Niedermayer – durchlebt eine Achterbahn der Gefühle, die man wunderbar in seinem Gesicht ablesen kann ) unter. Beide kümmern sich um das kranke Mädchen (Ronja Niedermayer – ein Glücksfall für die kleine Bühne solch eine talentiertere Schauspielerin gefunden zu haben) von nebenan. Als Wilhelm Voigt erfährt, dass er dem deutschen Reich verwiesen werden soll, beschließt er zu handeln. Bei dem Trödler Krakauer (Rudolf Atsma – herrlicher jiddischer Akzent) erwirbt er eine gebrauchte Hauptmannsuniform, die von dem Schneider Wormser (Matthias Layer - unverwechselbar echt ob als geschäftstüchtiger Schneider oder als Bahnbeamter "unter Druck") gefertigt wurde, und wird so zum Hauptmann von Köpenick. Mit zwei rekrutierten Wachsoldaten (Matthias Hornung, Oliver Hill – beide sehr nette Schmankerl auf und vor der Bühne) verhaftet er in einem Sondereinsatz den Bürgermister Obermüller (Wolfgang Zach – wie immer eine tolle Leistung) sowie den Stadtkämmerer Rosencrantz (Peter Kulczynski – auch als Jellinek in der hervorragenden Prügelszene im Cafe Central) und nimmt die Stadtkasse an sich. Der Schwindel fliegt schnell auf und die Zeitungen berichten sarkastisch über die Geschichte des “Hauptmanns von Köpenick”. Wenige Tage später stellt sich Voigt der Polizei. Als er dort, auf den Wunsch des Beamten, die Uniform noch einmal anlegt und sich im Spiegelt sieht, bricht er in schallendes Gelächter aus.
Diese Inszenierung ist wohl eine der Gelungensten und auch Anstrengendsten der letzten Jahre, da jeder Schauspieler zwei Rollen oder mehr belegte. Diese sind jedoch bei jeder Person so klar differenziert und unterschiedlich, das man die harte Arbeit sehen kann. Die Kostüme unterstreichen ebenso die unter-schiedlichen Persönlichkeiten. In weniger als 7 Monaten wurden mehr als 40 Kostüme von Dorina Ringhof genäht und ersteigert (Uniformen).
Es wurde mit einem sehr minimalistischen Bühnenbild gearbeitet, lediglich Schilder (Albrecht Ritzi – ob Künstler, Schwabe oder Bayer, er macht eine grandiose Figur dabei) wiesen auf den jeweiligen Ort hin. Während den Umbaupausen wurde das Publikum von den Bänkelsängern (Brinja Hornung - ebenfalls als dominante Frau Obermüller die ihren Mann unter Kontrolle hat ; Barbara Kirchner – auch als besorgte Herbergsmutter ; Kerstin Hahn – als aufreizende Plorösenmieze mit schönem berlinerisch ; Dieter Pfisterer am Akkordeon)).
Die kleinen Bühnler haben wieder bewiesen, dass sie ein tolles Team sind, das selbst vor einem anspruchsvollen, mühsamen und zeitintensiven Stück nicht zurück schrecken.
Mitwirkende: Jürgen Hornung, Rudolf Atsma, Carsten Hildbrand, Oliver Hill, Felix Hörr-Pietzonna, Matthias Hornung, Hansjörg Köpp, Peter Kulczynski, Matthias Layer, Dieter Niedermayer, Dieter Pfister, Uwe Ringhof, Albrecht Ritzi, Andreas Wirtherle, Wolfgang Zach, Daniela Erb-Zach, Kerstin Hahn, Leena Harim, Barbara Kirchner, Ronja Niedermayer, Brinja Sefrin-Hornung
Regie: Rudi Reimitz
Regieassistenz: Martina Drefs
Hintergrund: Dorina Ringhof, Dieter Kienzler, Peter Jacob, Gerd Bouwhuis, Hartmut Hahn